November 2023

Liebe Leserinnen und Leser,

mit Entsetzen und voller Trauer blicken wir auf die Geschehnisse im Nahen Osten. Seit dem Holocaust wurden an einem Tag nicht mehr so viele Menschen jüdischen Glaubens ermordet wie bei den Terrorattacken der Hamas in Israel. Frauen, Männer, Kinder. Kaltblütig, schamlos, barbarisch. Ein Ausbruch der Gewalt, der uns fassungslos macht. Fassungslos blicken wir auch auf das Umsichgreifen antisemitischer Narrative, die weltweit, in sozialen Netzwerken, in europäischen, in deutschen Städten unverhohlen artikuliert werden. Dagegen müssen wir uns wehren, dagegen müssen wir aufstehen! Es ist die Pflicht eines jeden Demokraten, für die Menschenwürde einzutreten, gegen Vorurteile, Rassismus, Antisemitismus die Stimme zu erheben – Terror und Hass dürfen nicht obsiegen, nicht nur gegen Juden! Diese besorgniserregenden Entwicklungen machen zudem deutlich, wie wichtig Erinnerungsarbeit ist. Gerade jetzt. Auch bei uns. Eine Erinnerungsarbeit, die sich verantwortungsvoll mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzt, den Opfern würdig gedenkt – und die Lehren für das Hier und Heute zieht. Das „Nie wieder!“ darf keine bloße Worthülse sein. Wir müssen erinnern, informieren, aufklären. Damit derartiges nie wieder geschieht. Damit nie wieder die Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In unserer Heimat beteiligen sich viele Akteure an der Erinnerungsarbeit, schaffen so eine verantwortungsvolle Erinnerungskultur. Dazu gehört selbstverständlich auch der Landkreis Sankt Wendel. In Erinnerung an die schrecklichen Novemberpogrome 1938 legen wir in jedem Jahr am 9. November einen Kranz am einstigen Standort der St. Wendeler Synagoge in der Kelsweilerstraße 13 nieder. In diesem Jahr um 16.30 Uhr. Wir haben Stolpersteine verlegt, dort, wo einst jüdische Menschen in unserer Heimat wohnten, wir haben sieben „Orte gegen das Vergessen“ errichtet, wir unterstützen Vereine, Schulen, Einzelpersonen, die sich in der Erinnerungsarbeit engagieren. Wir führen auch seit 2015 jährlich eine zentrale Gedenkveranstaltung zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar durch. Wir tun das, weil es unsere Pflicht und Verantwortung ist. Weil das, was in deutschem Namen verübt wurde, das schrecklichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte, nicht vergessen werden darf. Weil wir für die Wahrung der Menschenwürde, für Demokratie und Menschenrechte einstehen müssen. Gerade jetzt. Wir alle gemeinsam.

Anfang Oktober verstarb mit Johannes Kühn eine bedeutende Persönlichkeit unserer Heimat. Ein weltweit beachtetet Lyriker, ein Botschafter des Sankt Wendeler Landes. Denn es war seine Heimat, die Mittelpunkt vieler seiner Gedichte war. Das Dorf, sagte er einst, stehe als Grunderlebnis – und über das Grunderlebnis schreibe er. Das Dorf, die Menschen, die Natur. Der Winkelgast, der es wie kein zweiter verstand, seine Beobachtungen und Empfindungen in Worte zu kleiden: klar, direkt, eindringlich. Mehr als ein Heimatdichter, ein Weltbürger, tief verwurzelt in seiner Heimat. „Nie verließ ich gern den Hügelring“, heißt es in seinem Gedicht „Hasborn“. Und weiter: „Mir blieb Landbegeisterung im Blut“. Das Sankt Wendeler Land: seine Heimat, sein Kosmos, seine Inspiration. Seine Werke inspirieren uns, unsere Heimat intensiver wahrzunehmen. Ein beeindruckender und bemerkenswerter Künstler, dem wir ein ehrendes Andenken und Dankbarkeit für seine Verdienste bewahren. Sein Winkel im Hasborner Gasthaus Huth ist nun leer und bleibt doch sein Platz. Ewig und unvergessen.


Ihr Landrat
Udo Recktenwald