November 2018
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in zahlreichen Gesprächen haben mir viele Gemeindemitglieder und ehrenamtlich Engagierte im kirchlichen Leben der katholischen Kirche unserer Region von ihren Sorgen und Ängsten berichtet, die die geplante Strukturreform des Bistums Trier in ihnen auslösen. Sorgen und Ängste, die ich, auch als Mitglied des Pfarrgemeinderates St. Wendel, teile. Unter dem Motto „Pfarrei der Zukunft“ möchte das Bistum aus den bisherigen 887 Kirchengemeinden 35 machen. Dabei sollen in den zu bildenden 35 Gemeinden zentrale Pfarrorte eingerichtet, dadurch bestehende Strukturen aufgelöst werden. Ein radikaler Schnitt, bei dem zahlreiche Fragen noch nicht geklärt sind, der aber bereits jetzt viele ehrenamtlich Engagierte vor den Kopf stößt, der viel Enttäuschung und Verbitterung auslöst über das zum Teil intransparente Vorgehen des Bistums. Und der so von der Synode, auf die sich das Bistum beruft, nicht beschlossen wurde. Die geplante Reform schafft etwa die Verwaltungsräte ab, beseitigt somit ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung und Mitgestaltung der Gemeinde vor Ort, beseitigt die finanzielle Autonomie der Gemeinden. Von vielen ehrenamtlich Tätigen in den Pfarreien habe ich gehört, dass sie ihr Engagement einstellen, wenn Zuständigkeit, eigenständiges und selbstbestimmtes Gestalten sowie inhaltliche und finanzielle Verantwortung aus ihrem Dorf oder ihrer Gemeinde abwandern. Wenn die Kirchengemeinden vor Ort aufgelöst und enteignet werden, wenn lokale Gremien nicht mehr bestehen, dann geht die Bürgernähe vor Ort verloren und schwindet die lokale Bereitschaft, sich weiterhin einzubringen. Die geplante Reform verkennt, dass viele Gläubige sich speziell in und für ihren Ort, aber nicht darüber hinaus einbringen wollen. Zudem: Ist denn eine Kirchengemeinde nicht mehr als bloß ein Verwaltungsgebiet, ist sie nicht auch eine organisch gewachsene Einheit, ein Teil des Ganzen, der Weltkirche, ist sie nicht eben auch für die Menschen vor Ort ein Ort des Glaubens, der Zuflucht und des Trostes, der Freude und des Miteinanders, ein vertrauter Ort, ein Identifikationspunkt für die Kirchenmitglieder, ein Identifikationspunkt in den Dörfern? Ich meine: Ja, Kirchengemeinden sind mehr als administrative Einheiten. Daher sind erzwungene Fusionen zu Großgemeinden der falsche Schritt. Personelle und finanzielle Engpässe lassen sich eben nicht durch Zentralisierung lösen. Eine Analogie gibt es im weltlichen Bereich, in der Politik. Denn auch hier werden von diversen Seiten regelmäßig radikale Reformen, Zusammenlegungen von Kommunen gefordert. Auch hier hört man, dass dies zu Kostenersparnissen führt. Doch ist, wie die Vergangenheit bewiesen hat, oft das Gegenteil der Fall: Durch erzwungene Fusionen entstehen neue Schnittstellen, der Abstimmungsbedarf wird größer, neue bürokratische Strukturen müssen teilweise eingerichtet werden, die mehr kosten als zuvor. Ich hoffe, dass das Bistum Trier den Prozess des Strukturwandels überdenkt, die Sorgen und Ängste der Gemeindemitglieder ernst nimmt. Daher unterstütze ich die Initiative „Kirchengemeinde vor Ort“, die die Zusammenlegung der Gemeinden im Bistum Trier kritisiert: www.kirchengemeinde-vor-ort.de.
Vor 80 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November, brannten im gesamten Deutschen Reich Synagogen, wurden jüdische Mitbürger erniedrigt, jüdische Häuser, Wohnungen, Friedhöfe, Geschäfte zerstört. Auch im Landkreis St. Wendel. In fünf Orten – in St. Wendel, Tholey, Sötern, Bosen und Gonnesweiler – fanden Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung und gegen jüdisches Eigentum statt. Die Synagoge in St. Wendel wurde am 10. November 1938 von SS-, SA- und NSDAP-Mitgliedern geschändet und unter den Augen der Bevölkerung in Brand gesteckt. Seit 2009 erinnert der Landkreis St. Wendel mit einer Kranzniederlegung am einstigen Standort der St. Wendeler Synagoge in der Kelsweilerstraße an diese schrecklichen Ereignisse. In diesem Jahr werden wir nach der Kranzniederlegung am 9. November um 16 Uhr gemeinsam in die evangelische Stadtkirche gehen, wo eine Konfirmandengruppe ihre Arbeitsergebnisse zur jüdischen Geschichte der Stadt, der jüdischen Religion, zur St. Wendeler Synagoge präsentieren wird, musikalisch begleitet von der Gruppe „Aufbruch“. Jeder Bürger ist zu dieser Gedenkveranstaltung eingeladen.
Ihr Landrat
Udo Recktenwald